Hier entsteht die Seite über das Davoser Kirchenbuch. Dazu sei zunächst auf die Publikation DRN verwiesen. Einzelne Einträge, aus denen ein Eindruck gewonnen werden kann, finden sich zudem fast in allen Beiträgen auf dieser Website.
Als Kostprobe sehen wir unten den Anfang des zweiten Bandes des Taufbuchs (f. 1r), eröffnet Anfang 1597 durch Pfr. Lucius Nier (im Amt 1573–1607, d.h. April 1608)1:

Auf der linken Seite, die zunächst leer geblieben war, hat ein paar Jahre später sein Nachfolger, Pfr. Conrad Buol (1586–1623), die bis dahin auf Davos tätig gewesenen reformierten Pfarrherren aufgelistet (spätere Nachträge unten stammen vor allem von Pfr. Johannes Müller).2
In der folgenden Tabelle gebe ich links die Transkription der Liste und rechts einige Zusatzinformationen und die Amtsjahre auf Davos. Weitere Angaben zu diesen Pfarrern finden sich bei Truog Pf. (vor allem S. 55f., wozu hier unten einige Ergänzungen stehen).
Zu Pfr. Conrad Buol und seinem Schicksal in den Bündner Wirren wird es demnächst eine MoH-Ausgabe geben.
Anno 1526. Ist Die Landtschafft Dauos Reformiert worden. Ire Prediger sindt gsin | |
I. Jacob Spreiter von St. Gallen im 1526. iar. | Gemeint ist St. Gallenkirch im Montafon, wie Truog richtig betont.3 Wie er hingegen 1945 (S. 123) zur Aussage «1524–27 Jak. Spreiter» kommt, ist mir nicht klar. Amtsjahr 1526. |
II. Andres Schmid ab Dauos: hatt 27. iar dienet, ist zuvor 13. iar zuo Medelß im obren Pundt Meßpfaff gsin und uff der disputation zů Ilantz bekert worden. ab ao. 26. ad 1554. | Spr. Chron. S. 357 präzisiert Schmids Herkunft: Bodmen zwischen Schmitten und Wiesen; die Mutter sei eine Davoserin gewesen. Er liess sich offenbar einbürgern. Pfaff hat erst seit der Reformation zunehmend einen abschätzigen Sinn (Idiot. V 1058f.). Etwa Amtsjahre 1527–54. |
Laut Spr. Chron. S. 358: «1556 Hr. Bartholome Mütsch, ein meßpriester gsin aus dem Inthal, ist gen Malans gekommen.» In Malans finden wir ihn dann 1558–76 bei Truog Pf. S. 129; immatrikuliert 1555, s. Truog Präd. S. 6 Nr. 10. Vielleicht deckte Mütsch also schon einen Teil des Amtsjahres 1555 ab, für das wir sonst keine Angaben haben. In Buols Liste steht er nach Jörg Wirth, wohl versehentlich. Truog Pf. S. 55 vermutet, er sei derselbe wie Bartholomäus Kleinheintz (unten VI.), kaum zurecht. Die Jahresangabe 1553 bei Truog ist wohl verlesen. Etwa Amtsjahre 1555–57. | |
III. Jörg Würt oder Hospinian von Brug uß der Eÿdtgnosschafft. | Spr. Chron. S. 358 meldet: «1558 […] bald wegen seines unmeßigen läbens hinweg kommen.» Teil des Amtsjahres 1558. |
V. Samuel Colmar, hoc pastore, ist das Rhatthuß Erbrun̅en. | Truog Pf. S. 55 berichtet, dass Pfr. Colmar aus Zürich stammte.4 Der kombinierte Rathaus- und Pfarrhausbrand ereignete sich in der Nacht des 22. Januar 1559. Die hiesige Eintragung ist ziemlich brisant.5 Teil des Amtsjahres 1558. |
VI. Bartholome Kleinheintz von Samnun uß dem Engadin. vocatus est ao. 61. hatt zwei iar dienet. | Eröffnete das neue Taufbuch. Erste Eintragung 1559-03-08, seine letzte 1561-04-24. vocatus bedeutet hier «wegberufen», was es auf deutsch damals noch nicht gab. Er ging nach Klosters, wie Spr. Chron. S. 358 und Truog Pf. S. 55 präzisieren. Immatrikuliert 1555 (wie der andere Bartholomä, oben IV.), s. Truog Präd. S. 6 Nr. 11. Rest des Amtsjahres 1558 und Amtsjahre 1559–60. |
VII. Thobias Egle von Frauwenfeld uß dem Zürichbiet, ist uff anhalten und begeren H.n Landtam̅an Paul Bůlen von dem Rhatt von Zürich allhar gesen̅t worden, und hatt 3. iar dienet. | Seine erste Eintragung im Taufbuch 1561-05-09, die letzte 1563-01-17, darauf folgt eine gut zweijährige Taufbuchlücke. Spr. Chron. S. 358 schreibt: «Tobias Egli Götty», die Erklärung dazu s. bei Truog Pf. S. 55. Laut Truog Pf. blieb er bis 1564, ging dann nach Russikon, wurde 1566 nach Chur berufen und starb 1574 an der Pest. Er spielte in den frühen 70er Jahren im «Gantnerhandel» eine grosse Rolle (s. Truog Syn. S. 28–32). Amtsjahre 1561–64. |
IIX. Steffan Heim von Chur, hatt nur zwo predigen ghalten. | Hat selbst im Taufbuch nichts eingetragen. Spr. Chron. S. 358 berichtet «starb alhie», und Truog Pf. S. 56 präzisiert das Todesdatum: 1565-05-14. Beginn Amtsjahr 1565. |
IX. Hans Leo Salutz von Lauin uß dem Undren Engadin. | Erste Eintragung 1565-06-03, letzte 1565-07-07b. Der Hg. der Spr. Chron. S. 358 setzt hier und bei den nächsten beiden Pfarrern für ihre Wirkungsjahre auf fehlerhafte Überlieferungen. Teil des Amtsjahres 1565. |
X. Ulrich Schlumpff von St-Gallen hatt 2. iar dienet. | Erste Eintragung 1565-08-05a, letzte 1567-07-28b. Rest des Amtsjahres 1565, ganz 1566 und Teil des Amtsjahres 1567. |
XI. Andreas Jandrea uß dem Engadin. | Erste Eintragung 1567-08-12, letzte 1573-04-20, dazwischen viel Unordnung. Rest des Amtsjahres 1567, dann 1568–72. |
XII. Lutzi Nier ab Dauos hatt 35. iar dienet. | Erste Eintragung 1573-05-03a, letzte 1608-03-20. Amtsjahre 1573–1607. |
XIII. Conrad Buol ab Dauos, ist beruͤfft worden ao. 1608. | Erste Eintragung 1608-05-01, letzte 1621-10-28a, anschliessend die grosse Taufbuchlücke 1621–25 mit ganz wenigen späteren Nachträgen. Amtsjahre 1608–1620 und Teil des Amtsjahres 1621 (geflohen). |
Spr. Chron. S. 358 spricht von zwei «helffern» für Pfr. Buol, (1) «Steffen Manns» und (2) «Andris Lorez»: (1) Im Taufbuch sieht man, dass Manns acht Taufen durchgeführt hat: 1613-04-22a, 1613-10-17, 1613-10-29, 1616-11-22, 1616-12-20b, 1616-12-25b, 1617-01-31, 1618-05-07. Zudem war er neunmal Taufzeuge: 1613-07-20a «Ludimoderator», 1614-02-18, 1616-12-20b, 1617-04-06 «Pastor», 1618-02-20, 1625-10-19, 1625-10-23, 1625-10-30, 1625-11-08. Ludimoderator heisst Schulmeister. Truog Pf. S. 129 schreibt Manz und verortet den Zürcher «1615–17» in Malans und 1617–(46) in Haldenstein. Auf Davos wirkte er wohl nur aushilfsweise (ausser vielleicht 1613). | |
XIV. Andres Loretz von Chur ist zum Diacon beruͤfft worden An̅o 1618. hatt Ao. 22. auch allein den Dienst verricht. | (2) Der Eintrag ist von Loretz’ Hand. Er war stärker präsent als Manz. Pfr. Buol erwähnt ihn erstmals in einer nachträglich notierten Taufe, die zwischen dem 1. und 18. Juni 1618 stattgefunden hatte. Vor der Kapitulation von Davos 1621 schrieb Loretz’ als letzte Taufbuchaktivität das Datum 1621-10-07 ein, den Eintrag vervollständigte er aber nicht mehr. Pfr. Buol liess danach eine kleine Lücke und trug dann 1621-10-08 und 1621-10-28a seinerseits seine letzten beiden Taufen ein. |
XV Hr. Jacob Michael Guian hat ½ Jar gedienet. | S. Truog Pf. S. 159. Von wessen Hand der Eintrag stammt, ist unklar. Guian selbst hat keine Taufen ins Buch geschrieben, aber die Formulierung macht es ohnehin nicht wahrscheinlich, dass er der Schreiber des Eintrags war. |
XVI Jacob vo̅ Moß uß dem undtren Engadin von Ramüß ist berüefft worden vo̅ Schambß uß de̅ Obere̅ Pundt, da er ao. 1625 22 Jar im Dienst gewest. [Von anderer Hand:] und hatt uff Dauoß gedienet 8 Jar biß uf Ao 33. und vo̅ dan̅en gem Closter gezogen. | Die erste Hälfte ist von der Hand von Pfr. von Moos, in die Lücke hat er vielleicht ursprünglich etwas mehr notieren wollen. Die zweite Hälfte schrieb später Pfr. J. Müller, und zwar im selben Zug wie seinen folgenden eigenen Eintrag, also gleich zu Beginn seiner Amtszeit. Truog Pf. (S. 59, 169, 256) führt die Pfarrstelle im Schams nicht auf, jedoch S. 169 «1603–21 in Küblis» (von wo von Moos zweifellos geflohen ist); das ergibt die notierten 22 Dienstjahre bis 1625.6 |
XVII. Johan̅ Müller Landtma̅ uff Dauoß ist vo̅ Grüsch und Seewis berüefft worden <uff> 1633 uff Martini ..f…. | Die unterste Zeile, nach Seewis, ist stark abgegriffen und vor allem am Schluss nicht recht lesbar.7 |
- Das Buch beginnt mit einem unehelichen Kind (das Kreislein über Maria ist ein Buchstabe o und bedeutet oneelich, was nur selten ausgeschrieben ist). Kein Wunder, ist als Taufpate der Eerichtter eingetragen. ↩︎
- Die Liste entspricht inhaltlich der lateinisch geschriebenen am Anfang des ersten Bandes, die ebenfalls nicht vor 1608 verfasst worden sein kann. Die dortigen kleinen Abweichungen sind nicht glaubhafter, als was die hiesige Liste bietet. Am Schluss sind dort, weil noch Platz war, zwei weitere Pfarrer nachgetragen (Georg Müller und Nicolaus Leonhard). ↩︎
- S. z.B. auch Geschichte des Fürstentums Liechtenstein, Zweites Buch, III. Abschnitt, Kap. 2, S. 360: «Merkwürdig ist es, daß gerade Vorarlberg damals manche Prediger des neuen Glaubens stellte, wie Jakob Spreiter, früher Kaplan in Gaschurn und dann Pfarrer in St. Antönien im Prätigau […]». ↩︎
- Jetzt (12.8.2025) bin ich gerade zufällig auf einen Brief der Bündner Pfarrer Joh. Fabricius und Phil. Gallicius an Heinr. Bullinger in Zürich vom 4. Juli 1558 gestossen, in dem sie händeringend um einen guten Prediger für Davos bitten. Die Davoser seien sogar bereit, 130 statt wie bisher 100 Gulden Gehalt zu zahlen (QSG Bd. 24, 1905, S. 86 Nr. 98). ↩︎
- Es lohnt sich, sie genau zu lesen: Erstens bedeutet das Verbum erbrinnen nicht einfach «abbrennen», sondern «in Brand geraten» (s. Idiot. V 643). Zweitens hat Pfr. Buol den auffälligen lateinischen Ausdruck hoc pastore (für Lateiner: Abl. abs.) bestimmt nicht verwendet, weil er nicht wusste, wie er auf deutsch sagen sollte, sondern weil diese Formulierung es offen lässt, ob man die Aussage rein zeitlich verstehen will «als er Pfarrer war» (entsprechend Truog Pf. S. 55) oder aber mit kausalem Sinn «weil er Pfarrer war». In die gleiche Richtung, ebenfalls absichtlich unklar formuliert, zielt die Andeutung Spr. Chron. S. 358: «deshalb fortzogen». War die fatale Feuersbrunst vielleicht vom überhitzten Ofen des Pfarrers ausgegangen – jedenfalls nach Meinung der Gemeinde? (Eine ausführlichere Fassung dieser Fussnote findest Du im Blog!) ↩︎
- Die Angaben zu Jacob und Johann Jacob von Moos bei Truog Pf. S. 108 und S. 169 sind durcheinandergebracht; er korrigiert sie in den «Ergänzungen und Berichtigungen» von 1945, S. 129 und S. 136. Der Sohn Johann Jacob, der 1634 immatrikuliert wurde (Truog Präd. S. 18 Nr. 339: «Joh. Jac. à Moos, Davosianus») muss während seines Vaters Zeit als Pfarrer auf Davos eingebürgert worden sein (und der Vater zweifellos auch). ↩︎
- N.B.: In DNR S. 37 Anm. 17 bitte ich, die Lesung Senns zu Sewis zu korrigieren, was auch sachlich einleuchtender ist. Ich hatte den mit dem Schluss-s verbundenen i-Punkt übersehen. Die Form Senns für Valzeina, obwohl sprachlich nicht unmöglich, gibt es also nicht. ↩︎